Freitag, 26. November 2010

Turkey Day

Gerade bin ich von meinem ersten amerikanischen Thanksgiving zurückgekommen. Aktueller Zustand: sehr erschöpft, müde und voll, voll und nochmals voll. :-)

Meine Mitbewohnerin Megan hat mich eingeladen, diesen amerikanischen Feiertag mit ihrer Familie in Somerset, New Jersey zu verbringen. Darüber habe ich mich riesig gefreut. Gleich bei der Einladung hat sie noch gesagt, dass sie mich noch entsprechend auf ihre Familie vorbereiten muss: Die seien verrückt, laut, fluchen und streiten viel, haben sicher aber alle trotzdem sehr gern.

Bevor ich die komplette Familie kennengelernt habe, wurde ich noch mit einer anderen Thanksgiving-Tradition bekannt gemacht: dem Weggehen am Abend vorher. Anscheinend ist der Mittwoch vor Thanksgiving der größte Bar-Tag des Jahres. Vorbereitet haben wir uns, wie es sich gehört, beim "Pre-game", so heißt hier das Vorglühen. Ein unvorhergesehener Zwischenfall hat dann dafür gesorgt, dass es noch länger gedauert hat, bis wir uns in die Bar-Meuten stürzen konnten: Ich bin in die Bar, in die wir eigentlich gehen wollten, nicht reingekommen. Zum ersten Mal hier in Amerika, und das nicht etwa in einer super-tollen Bar in New York, sondern in einer ganz normalen Bar in New Brunswick (übrigens der Ort, in dem der Haupt-Campus von Rutgers ist). Der Türsteher wollte als ID nur amerikanische ID Cards oder - von Ausländern - einen Pass durchgehen lassen. Weder mein Personalausweis noch mein Führerschein haben ihn zufriedengestellt. Ich habe meinen Pass eigentlich nie irgendwo dabei, wenn ich hier unterwegs bin, und noch viel weniger, wenn ich am Abend weggehe. Ich hab Angst, dass ich den verlieren könnte und mich dann damit rumschlagen müsste, einen neuen zu bekommen. Und bis gestern hatte mit meinen deutschen IDs kein amerikanischer Türsteher ein Problem. Das war ziemlich ärgerlich, aber zum Glück waren wir ja in einem College Town, wo es noch ein paar mehr Bars gibt, die laut Megan sowieso alle gleich sind. Wir sind dann in die Olde Queens Tavern gegangen, wo wir uns mit unserer anderen Mitbewohnerin Alyssa und Freunden von ihr getroffen haben. Sie kommt nämlich auch aus der Nähe von New Brunswick. Positive Überraschungen an diesem Abend: günstige Getränke und eine günstige Taxifahrt zu Megan nach Hause.

Heute Mittag sind wir dann zum Haus von Megans Tante und Großeltern aufgebrochen. Als wir angekommen sind, standen die kleinen Snacks für den Nachmittag schon bereit - damit man auch ja nicht verhungert, während der Truthahn im Ofen brät. Es gab Popcorn Shrimp, Chips mit Guacamole, Cracker, Grissini, Käse, Oliven, Brot und vieles mehr. Genauso wie Bier, Wein und Cocktails schon am Nachmittag. Alkohol gehört nämlich auch zu einem traditionellen Thanksgiving dazu, wurde ich aufgeklärt. Und außerdem Football am Nachmittag. Megan und ihre Eltern haben gesagt, dass das so ziemlich das einzige ist, was an ihrem Thanksgiving traditionell ist.

Das Gute am Football schauen war, dass ich jetzt sogar einigermaßen die Regeln verstehe! Trotzdem muss ich sagen, dass ich nicht verstehen kann, wie man sich das so lange und so oft anschauen kann. Das Spiel ist in vier Quarters mit jeweils 15 Minuten eingeteilt. Trotzdem dauert so ein Spiel meistens mehr als drei Stunden, weil alle paar Sekunden die Zeit angehalten wird, weil jemand gefoult wurde oder die Spieler eine neue Formation zum nächsten Angriff bilden. Auf die Dauer wird das ganz schön langweilig.

Gut, dass es da Ablenkung in Form von "Shopping" gab. Ein Onkel von Megan hatte kistenweise Sachen dabei, die die ganze Verwandtschaft und ich durchsuchen sollten, ob etwas dabei ist, was uns gefällt. Das konnten wir dann behalten. Wenn ich kistenweise sage, dann übertreibe ich nicht! Das Zimmer, in das er die mindestens 15 Kisten gestellt hat und das eine Art zweites Wohnzimmer war, war voll mit Kisten, die wiederum voll mit Krimskrams waren: von einem kleinen Tischaquarium oder Goldfischglas über Schmuck und Glückwunschkarten bis zu Wanduhren und Schweißbändern war alles mögliche und unmögliche dabei. Ich habe nicht die leisteste Ahnung, wo er das ganze Zeug herhatte. Vielleicht hat er ja seinen Speicher ausgemistet? Die meisten Sachen waren kitschig oder komisch, aber ein paar Sachen habe ich doch "geshoppt": Ohrringe und Armbänder und einen touristisch-lustigen Stofftier-Affen, der ein I-Love-NY-Shirt trägt und seltsame Geräusche macht, die wohl Affenlaute sein sollen, die aber eher so klingen, als würde man ihn erstechen.

Am Abend gab es dann das Highlight des ganzen Tags: den Truthahn. Oder besser gesagt: die beiden Truthähne mit 19 und 23 Pfund. Die passen natürlich nicht beide auf einmal in den Ofen, deswegen war einer bei den Nachbarn im Ofen, die auch mit uns zusammen gefeiert haben. Zum Truthahn gab es verschiedene Füllungen, Mais, grünen Spargel, Kartoffelpüree, Maisbrot, Süßkartoffelkuchen mit kleinen Marshmallows oben drauf (sehr lecker!) und Cranberrysauce. Hungrig nach Hause gehen musste hier also keiner! Besonders, weil direkt danach noch Dessert aufgefahren wurde, das sich auch wirklich sehen lassen konnte. Ich habe Donauwellen gemacht und von den anderen gab es Schokokuchen, Apple Pie, Obst, Schokopudding mit Sahne, Himbeer-Cranberry-Torte, Möhrentorte und einen Nusskuchen. Außerdem noch alle möglichen Sorten von Cookies und Keksen.

Danach sind erst mal alle stöhnend auf die Couch gefallen und manche haben ein kleines Nickerchen gehalten, während nebenher immer noch Football lief und ich mich länger mit Megans Vater und ihren Cousinen und Cousins unterhalten habe. Die Thanksgiving-Feier war wirklich ein schönes Erlebnis: Ich habe erfahren, wie eine große, laute, nette, sehr gastfreundliche amerikanische Familie Thanksgiving feiert - ob das jetzt eher traditionell war oder nicht, kann ich nicht sagen, weil es ja das erste Mal ist, dass ich das erlebt habe. Aber das ist eigentlich auch egal. Wahrscheinlich ist es so wie Weihnachten bei uns, wo auch jede Familie ihre eigenen kleinen Traditionen hat, wie zum Beispiel bei uns das Raclette und danach Loriot im Fernsehen.

Jetzt muss ich aber ab ins Bett und mich noch geistig auf das Black-Friday-Shopping morgen vorbereiten. Was das ist, und was daran besonders ist? Dazu gibt es ein anderes Mal mehr.

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