Freitag, 24. September 2010

Uni-Leben

Momentan bin ich mit der Uni sehr beschäftigt. Während in Deutschland noch alle auf der faulen Haut liegen und ihre Semesterferien genießen, habe ich hier in Newark schon die vierte Uniwoche hinter mir.

Ich habe dieses Semester drei Seminare - und bevor jetzt jemand aufschreit, dass in Wirklichkeit ja ich diejenige bin, die auf der faulen Haut liegt: Mit drei Kursen ist man voll ausgelastet. Drei Kurse bedeuten hier an der Graduate School, dass man Vollzeit-Student ist, und das kommt nicht von ungefähr. Mir wurde vorher schon gesagt, dass man sich auf keinen Fall mehr als drei Kurse pro Semester aufhalsen soll. Wenn man aber aus Deutschland gewohnt ist, sechs bis acht Kurse zu haben, hört sich das irgendwie trotzdem wenig an.

Warum sind drei Seminare eigentlich so viel Arbeit? Das liegt an den vielen Büchern, die ich dafür lesen muss. Aus Deutschland war ich es gewohnt, dass man vielleicht mal ein paar Kapitel aus einem Buch lesen muss, oder ein, zwei Aufsätze. Hier muss ich für jeden Kurs jede Woche ein (ganzes!) Buch lesen und zusätzlich noch ein paar Kapitel aus anderen Büchern oder Papers von anderen Autoren. Und das mal drei - macht pro Woche drei komplette Bücher und mehrere Aufsätze. Alles in allem lese ich jede Woche ungefähr 1000 Seiten...

Eine weitere Sache, die ich so nicht gewohnt war, ist, dass man sich fast alle Bücher kaufen muss. Die Bibliothek hat zwar die meisten Bücher, die wir für die Seminare lesen müssen. Aber natürlich nicht zehn Exemplare, so dass jeder eins davon bekommt. Deswegen werden die Bücher in einer speziellen "Reserve"-Abteilung abgestellt, aus der man ein Buch nur für drei Stunden ausleihen kann. Danach muss man es wieder zurückbringen, damit andere es lesen können. Das ist nicht so praktisch - in drei Stunden liest man ja nicht einfach schnell mal ein ganzes Buch. Viele Bücher kann man aus anderen Bibliotheken bestellen. Das habe ich auch für ein paar gemacht. Das ist sehr praktisch, weil ich dann nicht alle Bücher kaufen muss. Allerdings kann man die nur zwei Wochen behalten, bevor man sie wieder zurückkgeben muss. Da muss man also gut planen, wann man was bestellt.

Dennoch sind am Ende einige Bücher übriggeblieben, die ich mir gekauft habe. Weil hier alle Studenten so viele Bücher kaufen, gibt es zig Internet-Seiten für gebrauchte Bücher. Falls mal jemand eins braucht: www.bookfinder.com kann ich sehr empfehlen. Da bekommt man die Bücher ungefähr für die Hälfte, und sie werden nach Hause geliefert, man muss also weniger schleppen. Weil ich jetzt so viele Bücher habe, habe ich mir ein Bücherregal gekauft. Ich wollte sie ja nicht einfach alle in eine Ecke pfeffern. Das Regal habe ich online gefunden und abgeholt. Das Problem an der Sache: Ich musste es in der U-Bahn heimtransportieren und von der U-Bahn noch fünf Minuten nach Hause gehen. Schwer war es eigentlich nicht, nur sehr unhandlich, weil es schon zusammengebaut war. Ich habe mich gut geschlagen, hatte aber am nächsten Tag auch einige blaue Flecken.


Die Bücher, die wir lesen, sind dann die Basis für die Seminardiskussionen. Die Seminare sind sehr ähnlich wie in Deutschland, nur noch interaktiver und kleiner. Mein größter Kurs hat zwölf Teilnehmer. Wir diskutieren die Bücher, Konzepte aus den Büchern, die Argumente der Autoren, Quellen und so weiter. Eine Besonderheit sind meine Mitstudenten: In den USA ist es viel üblicher als in Deutschland, dass Leute nach dem Bachelor in den Beruf gehen und entweder gar nicht mehr weiterstudieren oder erst nach einigen Jahren einen Master oder PhD machen. Deswegen sind viele schon Ende 20 oder älter, wenn sie wieder zurück an die Uni kommen. Das macht die Diskussionen noch viel interessanter. Ich habe dieses Semester einen Kurs über Bildungspolitik und Schulreformen, den ich mir in Deutschland für Politikwissenschaft anerkennen lassen will. Einer der Studenten in diesem Kurs ist Direktor von einer Schule hier in Newark, und ein paar andere waren vorher selbst Lehrer. Das macht das Ganze gleich noch viel interessanter!

Neben diesem Seminar mache ich noch zwei Kurse in American Studies. Einer behandelt die Geschichte von New York in den letzten 100 Jahren, und der andere Einwanderung und die amerikanische Gesellschaft. Den Kurs über New York habe ich genommen, weil ich in Deutschland zwar viel über amerikanische Geschichte allgemein gelernt habe, aber nicht speziell über New York. Und gerade jetzt, wo ich hier bin, bietet sich das ja an. Ich habe das Gefühl, dass der Professor alles über New York weiß, was man wissen kann - der ist wirklich ein wandelndes Lexikon. Egal, ob es um die Geschichte der Arbeiterbewegung oder um Jazz in afroamerikanischen Vierteln geht, er weiß immer etwas. Außerdem macht er mit uns in ein paar Wochen eine "Walking Tour" durch einen Teil von New York. Darauf freue ich mich schon!

Über Einwanderung habe ich in Deutschland in meinem Studium schon einiges gemacht, aber auch dieser Kurs ist interessant. Es ist echt spannend, das mal aus amerikanischer Perspektive zu sehen. Außerdem besprechen wir vieles, was ich vorher noch nicht gemacht habe, zum Beispiel, wie verschiedene Autoren die gleichen Entwicklungen unterschiedlich darstellen, wie sich die Sichtweisen auf Einwanderungswellen im Laufe der Jahre verändert habe, und mehr theoretische Konzepte und Strömungen.

Die Professoren haben alle viel Erfahrung in dem, was sie machen - und außerhalb der Uni auch. Der aus dem Schulpolitik-Seminar berät zum Beispiel das New York Department of Education. Der Professor aus dem Seminar über New York beschäftigt sich in seiner eigenen Forschung mit Medien und hat viele Jahre als Journalist gearbeitet. Und sie sind alle sehr hilfsbereit und man kann sie immer ansprechen. Gestern im Seminar habe ich ein Thema genannt, das mich für mein Abschluss-Essay für diesen Kurs interessieren würde - heute hatte ich eine E-Mail vom Prof im Postfach mit drei genaueren Themenvorschlägen und Tipps, wo ich dazu Literatur und Archivmaterial finden kann!

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