Dienstag, 3. Mai 2011

Lehrerin Lena

Letzte Woche habe ich im Chinatown von New York an einer Middle School Teenager unterrichtet. Als ich letzten August nach Newark gekommen bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal vor 30 Achtklässlern stehen würde und ihnen etwas über Deutschland und den 2. Weltkrieg beibringen würde. Dass ich es gemacht habe, ist der Organisation One to World und ihrem Programm Global Classroom zu verdanken. Das ist ein Programm, bei dem Fulbrighter und andere internationale Studenten globale Themen und Perspektiven in öffentliche Schulen in New York bringen, indem sie Unterrichtsstunden planen und halten. Die Stunden haben immer etwas mit der Land zu tun, aus dem der "Global Guide" kommt, und mit dem, was für die Schüler gerade im Lehrplan steht oder sonst mit ihrer Situation zu tun hat. 

Da gibt es zum Beispiel das Programm "Global Careers", das sich an High-School-Schüler richtet, die vor der Uni- oder Berufswahl stehen. Für sie erzählen die Global Guides nicht nur etwas über ihr Herkunftsland, sondern vor allem auch über ihr Studium und darüber, was man danach damit machen kann. Das Programm findet an einer High School statt, die vor allem Kinder besuchen, die erst vor Kurzem in die USA eingewandert sind. So sollen sie etwas über die vielfältigen Möglichkeiten erfahren, die die amerikanische Uni-Landschaft bietet.

Das Ziel von Global Classroom ist es, interkulturelleren Austausch zwischen den Guides und den Schülern zu fördern und bei den Schülern das Bewusstsein und Verständnis für andere Kulturen und Perspektiven zu stärken. Das soll ihnen dabei helfen, sich als "Global Citizens" des 21. Jahrhunderts zu begreifen.

Da die wenigsten internationalen Studenten, die bei diesem Programm mitmachen, vorher schon irgendwo unterrichtet haben, gibt es für alle am Anfang einen Workshop. An dieem Workshop habe ich schon vor ein paar Monaten teilgenommen. Da habe ich gelernt, wie man die Stunde aufbauen kann, wie man Stunden für Grundschüler und High-School-Schüler unterschiedlich gestaltet und wie man Schülern etwas über sein eigenes Land beibringt - auch, wenn sie da noch nie waren oder von dem Land noch nie gehört haben, wie vielleicht bei meinen Freunden aus Nepal und Aserbaidschan.

Mein Global Classroom fand im Chinatown in Manhattan in der Dr. Sun Yat Sen Middle School statt. In der Klasse, in der ich unterrichtet habe, waren viele Kinder, die entweder aus China kommen und noch nicht so lange in den USA sind oder die zwar in den USA geboren sind, die aber mit ihren chinesischen Eltern zu Hause nicht englisch sprechen. Das ist natürlich eine Herausforderung, weil man darauf gefasst sein muss, dass man einge Begriffe definieren muss, die sonst vielleicht kein Problem darstellen würden. Die Schüler bekommen aber auch Unterricht in Englisch als Fremdsprache. Und anders als in Deutschland haben etliche Schulen in den USA Themen, die sie von anderen Schulen in der gleichen Gegend unterscheiden. Die Schule, an der ich war, hat einen besonderen Fokus auf Mathe und neue Technologien gelegt. Jeder Schüler bekommt hier von der Schule einen eigenen Laptop zum Arbeiten gestellt! Sonst würden die Kinder vermutlich nicht so leicht einen Zugang zu Technik und Internet bekommen, denn die Familien der Kinder sind eher arm. Der Anteil an Kindern, die an dieser Schule kostenloses Mittagessen bekommen, liegt bei 93 Prozent. Daraus kann man Rückschlüsse auf die soziale Situation der Familien ziehen: Wenn nämlich eine Familie arm ist, dann bekommen ihre Kinder in Schulen vom Staat finanziertes Mittagessen.


Da die Klasse, in der ich war, gerade den 2. Weltkrieg durchnimmt, habe ich einen Workshop zum Thema "Deutschland und der 2. Weltkrieg" gestaltet. Meine Stunde war die erste, die die Schüler zum 2. Weltkrieg hatten; deswegen hatte ich auch die Aufgabe, ihnen ganz Grundlegendes zum Thema zu erzählen. Um das Ganze persönlicher zu machen, wollte ich ihnen außerdem näherbringen, welchen Einfluss die Nachkriegsgeschichte mich und meine Familie hatte. Ich habe meine Präsentation inhaltlich in drei Teile aufgeteilt: der 2. Weltkrieg, die deutsche Teilung und internationaler Austausch nach dem 2. Weltkrieg. Davor hatte ich noch einige kleinere Teile zu Deutschland, in denen ich ein True-or-false-Quiz mit den Schülern gemacht habe, ihnen Bilder aus Deutschland gezeigt habe und sie Deutschland auf einer Weltkarte suchen mussten.


Im Teil über den 2. Weltkrieg ist mir dann die Aufgabe zugefallen, als Deutsche in Amerika den Kindern zu erklären, was Hitler gemacht hat und warum da überhaupt gekämpft würde - und das alles so, dass es für Achtklässler leicht verständlich ist. Das war wirklich eine Herausforderung. Ich war wirklich beeindruckt, was die Schüler alles wussten, besonders weil sie den Krieg ja noch nicht im Unterricht durchgenommen hatten. Einer hat gefragt, ob die Gerüchte stimmen, dass Hitler gar nicht Selbstmord begangen hat, sondern immer noch lebt. Und als ich über Widerstand gegen die Nazis gesprochen habe, hat eine andere gefragt, ob das nur Soldaten waren, die sich Befehlen widersetzt haben, oder auch "normale" Menschen. Dieser Teil der Präsentation ist wirklich gut gelaufen. Ich hatte den Eindruck, dass die Kinder sehr wissbegierig waren und wirklich verstehen wollten, was damals in Deutschland passiert ist.

Anschließend habe ich erzählt, dass Deutschland nach dem Krieg geteilt wurde. Die meiste Zeit habe ich dabei darüber gesprochen, wie Leute aus der DDR geflohen sind. Ein wirklich schöner Moment war, als ich den Schülern von meinem Opa erzählt habe, der Ende der 1950er aus der DDR geflohen ist, mit nur einem kleinen Köfferchen in der Hand und ohne irgendjemandem zu erzählen, dass er vorhatte, von seinem angeblich kurzem Besuch bei seinem Bruder im Westen nicht mehr zurückzukommen. Vorher ist mir schon immer mal wieder aufgefallen, dass einige Schüler nicht aufgepasst haben und dass die Klassenlehrerin sie ermahnen musste. Aber als ich das erzählt habe, haben sie wirklich alle ganz aufmerksam zugehört und waren ganz leise. Das war ein echt tolles Gefühl, da vorne zu stehen und Geschichte so lebendig werden zu lassen, dass die Schüler fasziniert waren.


Der letzte Teil meiner Präsentation ging dann um internationale Austauschprogramme, die nach dem 2. Weltkrieg ins Leben gerufen wurde, um internationale Verständigung zu fördern. Hier habe ich den Schülern von meinen Schüleraustauschen in Frankreich und in Italien erzählt und ihnen viele Fotos gezeigt. Und natürlich durfte dann das Fulbright-Programm nicht fehlen, das 1952 explizit mit dem Gedanken geschaffen wurde, in Zukunft größeres Verständnis zwischen Menschen verschiedener Kulturen zu unterstützen. Zum Abschluss habe ich ihnen noch die Aufgabe gegeben, sie sollten sich vorstellen, dass sie einen Schüleraustausch mit einer deutschen Schule machen. Dann sollten sie sich überlegen, was sie mit ihren deutschen Austauschschülern in einer Woche in New York gerne machen würden.


Meine Stunde ist wirklich gut gelaufen und ich glaube, dass die Schüler viel dabei gelernt haben und mitgenommen haben. Es war eine wirklich gute Erfahrung und ich bin froh, dass ich sie gemacht habe! Mir ist besonders aufgefallen, dass ich während der ganzen Zeit sehr entspannt war und es angenehm war, vor der Klasse zu stehen und zu reden. Ich habe vorher eigentlich erwartet, dass ich sehr aufgeregt sein würde. Das war ich aber gar nicht, sondern ich habe mich im Gegenteil sehr selbstsicher gefühlt. Und auch meine Sorge, dass die Schüler vielleicht gar nicht mitmachen würden und nicht aufpassen, war ganz unbegründet. Sie haben meine vielen Fragen beantwortet und mir auch selbst viele, viele Fragen gestellt.

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