Freitag, 1. April 2011

Lena bricht den Zehnkampf vorzeitig ab

An der letzten Hürde bin ich dann doch gescheitert. Heute habe ich vier wertvolle Stunden meines Lebens damit verbracht, zum DMV zu gehen, um meinen Führerschein zu holen, und bin dann am Ende mit leeren Händen nach Hause gefahren. Dabei liegt das noch nicht mal daran, dass ich durch die Prüfung gefallen wäre. Und leider ist das kein Aprilscherz.

Heute morgen um 7.10 Uhr habe ich mich zusammen mit Martin auf zum Department of Motor Vehicles (DMV) gemacht, um endlich die Theorieprüfung zu machen und den Führerschein zu bekommen. Nachdem ich schon viel anstrengende Vorarbeit geleistet habe, sollte es heute so weit sein. Weil wir schon viel Schlechtes über die Kompetenz der Leute im DMV in Newark gehört haben, sind wir in die Nachbarstadt Jersey City gefahren. Wir wussten zwar nicht, ob es da besser ist, aber einen Versuch ist es ja wert. Um 7.45 waren wir da, öffnen sollten sie um 8 Uhr. Als wir angekommen sind, war schon eine Schlange da - zum Glück nur eine kleine. Das war vielversprechend. Weniger vielversprechend fand ich, dass wir um 8.10 Uhr immer noch draußen im Schneeregen vor verschlossenen Türen standen, obwohl die Mitarbeiter innen schon munter umhergelaufen sind.

Als sie endlich aufgemacht haben, sind wir hineingestürmt und haben der Frau am Empfang gesagt, was wir wollen. Dann sagte sie "Geht nicht". Martin hatte extra vorher im Internet noch nachgeschaut, ob man in Jersey City die Theorieprüfung machen kann. Das geht nämlich nicht bei allen DMVs. Das Internet sagte ja. Was es uns allerdings nicht gesagt hat und was wir dann dort erfahren mussten: Den Theorietest können in Jersey City nur Amerikaner machen; für Ausländer ist eine andere Stelle zuständig. Warum auch immer - ich wüsste nicht, dass wir einen anderen Test machen als die Amerikaner. Die Stelle, zu der wir gehen müssen, ist in Bayonne. Gut, also auf in den Bus nach Bayonne zum nächsten DMV, wo wir leider dann nicht mehr den Bonus haben, früh da zu sein, wenn die Mitarbeiter noch nicht so genervt sind.

Das DMV in Bayonne liegt - sehr vielversprechend - im selben Gebäude wie ein riesiger Dollarstore. Innen war schon die Hölle los. Viele, viele Leute; viele, viele Schalter und viele bunte Pfeile, bei denen nicht wirklich klar war, wo sie hinführen. Anfangs sah noch alles ganz gut aus. Das Anmeldeformular, das wir am Anfang bekommen haben, haben wir beim Schlange stehen ausgefüllt - sehr schlau, dachten wir uns, da spart man sich ein bisschen Zeit. So weit, so gut. Als Martin vor mir drangekommen ist, habe ich schon gehört, dass es ein Problem gibt, aber ich habe von hinten nicht verstanden, was genau ist. Dann war ich dran und habe es gleich erfahren. Sie wollten meinen Pass und mein DS2019-Formular sehen. Genau hier lag das Problem: Offensichtlich gibt es eine Regel, die besagt, dass man keinen Führerschein mehr bekommt, wenn das DS 2019 noch weniger als 60 Tage gültig ist. Auf meinem steht: "Form covers period: August 16, 2010 - May 22, 2011". Das stimmt auch, bis zum 22. Mai sind es noch weniger als 60 Tage. Dass oben auf dem Formular aber steht "Expires July 31, 2011", hat sie nicht interessiert. Sie sagten einfach "Das untere Datum ist das, das wir beutzen". Aha. Ich verstehe, dass die Behörden vielleicht nicht jemandem einen Führerschein ausstellen wollen, der nur noch eine Woche im Land ist. Aber 60 Tage? Außerdem bedeutet das Datum auf dem Formular nicht einmal, dass ich an diesem Tag das Land verlassen muss. Es heißt nur, dass das der Zeitraum ist, in dem Fulbright mich bezahlt. Bleiben kann ich sogar noch bis 21. Juni. Dass mein Visum auch so lange gültig ist, hat sie auch nicht interessiert.

Dann habe ich mich an das erinnert, was ich mir vorher für die Theorieprüfung angeschaut habe: New-Jersey-Gesetze besagen nämlich, dass man hier nur 60 Tage lang mit einem Führerschein aus einem anderen Land oder einem anderen US-Bundesstaat fahren kann. Danach braucht man einen aus New Jersey. Das bedeutet also, dass ich meinen deutschen hier nicht mehr benutzen kann, aber gleichzeitig auch keinen aus New Jersey bekommen kann. Als ich sie dann gefragt habe, wie wir das Problem jetzt angehen, war die Antwort: "Das sind die Regeln; an die müssen wir uns halten. Das geht nicht".

Mein Geduldsfaden ist zu diesem Zeitpunkt schon fast gerissen. Normalerweise wäre ich da schon aus dem Rennen ausgestiegen, aber ich habe mir gedacht, dass das, wenn ich schon die ganze Aufwärmphase und die anderen Disziplinen geschafft habe, auch noch gehen muss. Außerdem bin ich beim Warten vorher schon auf ein Plakat mit dem Mission Statement des DMV aufmerksam geworden. Darauf hieß es, dass einer ihrer "Core Values" lautet: "Creativity - We approach challenges with creativity and flexibility. We are constantly searching for ways to improve how we do business and to create more value for those we serve". Als ich das gesehen habe, habe ich noch scherzhaft zu Martin gesagt: "Das bedeutet also, dass die hier flexibel einfach machen, was sie wollen". Dennoch habe ich mir gedacht, dass es einen Versuch wert ist, ihre Kreativität auf die Probe zu stellen. Ich habe nämlich schon so oft hier erlebt, dass es immer erst heißt "geht nicht", wenn man etwas will, das nicht haargenau bis ins kleinste Detail dem Prozess entspricht, der jeden Tag tausendfach gleich abläuft (Oh ja, da könnte ich Geschichten erzählen! Vor allem von der Uni!).

Ich habe also nach dem Vorgesetzten der Dame gefragt und gesagt, dass ich den gerne sprechen will. Dann hat sie mich zu Schalter 8 geschickt - wahrscheinlich ist das ein Codewort für "Beschwerden von nervigen Leuten, bei denen schon alles zu spät ist". Nachdem der Supervisor den Mann in der Schlange vor mir abgefertigt hat, ist er einfach mal verschwunden. 20 Minuten und drei Nachfragen später stand endlich jemand vor mir - das war allerdings nicht der Supervisor, der vorher da war, sondern eine andere Frau, die bestimmt nur von einem der Schalter nebenan kurz gekommen ist. Ich habe ihr also mein Problem geschildert. Dann hat sie genau den gleichen Zettel rausgekramt, den die andere vorher schon hatte, auf dem das mit den 60 Tagen steht. Gleiche Antwort: "Geht nicht". Der Höhepunkt der ganzen Episode war, als ich sie dann gefragt habe: "Ja, wenn ich mit dem deutschen Schein nicht fahren darf und keinen amerikanischen bekomme, wie fahre ich denn dann?" Die Antwort: "Dann fährst du eben nicht". Ganz klasse. Mit der Creativity und Flexibility aus dem Mission Statement ist es also nicht weit her. Ich glaube nicht, dass schon jemals jemand diesen Schalter verlassen hat und das Problem, das er hatte, gelöst war. Wahrscheinlich bekommen DMV-Angestellte einen Bonus für jede Person, die sie unverrichteter Dinge wieder wegschicken können.

Für meine Westküstenreise bleibt mir also jetzt nur noch übrig, den internationalen Führerschein zu verwenden, den ich glücklicherweise habe. Und wenn ich dann kontrolliert werde, zu hoffen, dass der Polizist nicht weiß, dass der eigentlich nur für Touristen gedacht ist und nicht gültig ist, wenn man mit einem Visum in den USA ist. Versucht habe ich ja alles... 

Und die Moral von der Geschicht': Ein Besuch beim DMV lohnt sich nicht!

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